Unter der Bezeichnung Zweiter Bildungsweg, kurz ZBW, laufen zahlreiche Angebote zum nachträglichen Erwerb von Bildungsabschlüssen, wie dem Abitur (Allgemeine Hochschulreife), die der nicht mehr schulpflichtige Jugendliche oder Erwachsene vor dem Eintritt ins Berufsleben im "Normaldurchlauf" an der Regelschule nicht erworben hat. Nach der ersten schulischen Bildungsphase können Zeiten der Berufsausbildung, Berufstätigkeit oder der Arbeitssuche beziehungsweise Arbeitslosigkeit gelegen haben. Als weitere gängige Bezeichnung für den Zweiten Bildungsweg ist die der "Schule für Erwachsene" (kurz SfE) anzutreffen. Der ZBW ist Teil der Erwachsenenbildung in Deutschland.
Dem Begriff des Zweiten Bildungsweges fehlt es an einer bundesgesetzlichen Definition im SGB, BAföG oder anderen Gesetzen. Nach den Gesetzesmaterialien, der Rechtsprechung und den Kommentierungen zum Bundesausbildungsförderungsgesetz handelt es sich bei der Ausbildung im ZBW im "allgemeinen Verständnis" um (schulische) Ausbildungen allgemeinbildender Art, die einen sonst an allgemeinbildenden Schulen zu erreichenden Ausbildungsabschluss vermitteln und den Zugang zu einer berufsqualifizierenden Ausbildung erst eröffnen. Durch die Ausbildung im Zweiten Bildungsweg selbst ist eine Berufsqualifikation beziehungsweise die Abschlussprüfung in einem anerkannten Ausbildungsberuf nicht zu erreichen (BVerwG Buchholz 436.36 § 46 BAföG Nr. 16, 18; FamRZ 1981, 1011, 1013). Der Zweite Bildungsweg eröffnet denjenigen, die keine Möglichkeit hatten, eine Hochschulreife (allgemein / fachgebunden) im allgemeinen Schulwesen zu erlangen, letztlich den Zugang zu den Hochschulen (Rothe/Blanke, aaO., § 2 BAföG RdNr. 1). Nicht zum ZBW gehören Berufsschulen, Schulbesuche zum Zwecke der Berufsausbildung, Berufsfachschulen (BSG, Urteil vom 7.11.1995, 12 RK 38/94, SozR 3-2500 § 5 Nr. 23), Fachhochschulen der öffentlichen Verwaltung oder sonst der fachlichen Ausbildung dienende schulische Einrichtungen.
Charakteristisch bei den Voraussetzungen für die Aufnahme einer Ausbildung im Zweiten Bildungsweg ist, dass in der Regel eine berufliche Vorbildung (abgeschlossene Berufsausbildung, Berufstätigkeit, bestimmte andere Zeiten wie der Arbeitslosigkeit, von Freiwilligendiensten oder der Führung eines Familienhaushalts können anerkannt werden) erforderlich ist und, dass es kein Höchstalter, aber dafür oft ein Mindestalter gibt.
Der höchste deutsche Schulabschluss kann im Zweiten Bildungsweg an einer Reihe von Einrichtungen in Vollzeit oder Teilzeit im "internen Durchlauf" oder aber über eine externe Prüfung erlangt werden. Dabei gibt es sowohl Abend- als auch Tages- sowie blended- und e-Learning-Lehrgänge zum Abitur nachholen, sodass eine gleichzeitige Berufstätigkeit oder besondere familiäre Umstände keinen Hindernisgrund bei der Höherqualifizierung darstellen müssen.
Ein besonderes Merkmal des Zweiten Bildungswegs sind die erwachsenengerechte Aufbereitung des Unterrichtsstoffes und die Unterrichtsvermittlung.
Abendgymnasium und Kolleg sind nach allgemeinem Verständnis die "klassischen Einrichtungen" des Zweiten Bildungswegs, die zum Abitur führen, ergänzt um die Fachoberschule, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt und die Berufsoberschule.
Das Abendgymnasium ist die wohl bekannteste Einrichtung im Zweiten Bildungsweg zum Abitur nachholen. Der Bildungsgang ist auf eine dreijährige Regelschulzeit ausgelegt. Zusätzlich gibt es einen mindestens sechsmonatigen Vorkurs, der für Bewerber ohne mittleren Schulabschluss verpflichtend ist.
Aufnahmevoraussetzung sind bei Eintritt in die Einführungsphase eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine mindestens zweijährige Berufstätigkeit (bestimmte andere Zeiten wie Arbeitslosigkeit, ein Freiwilliges Soziales Jahr, ein Freiwilliges Ökologisches Jahr sowie weitere können anerkannt werden) und die Vollendung des 18. Lebensjahres im Schuljahr der Anmeldung.
Mit Ausnahme der letzten drei Schulhalbjahre müssen die Studierenden am Abendgymnasium berufstätig sein, wobei eine durch Bescheinigung des Arbeitsamtes nachgewiesene Arbeitslosigkeit berücksichtigt werden kann und die Führung eines Familienhaushalts der Berufstätigkeit gleichgestellt ist.
In immer mehr Bundesländern werden am Abendgymnasium blended-Learning Bildungsgänge erprobt oder regulär angeboten, das heißt, dass die Teilnehmer die Schule in der Regel nur zu einem Teil, zum Beispiel zur Hälfte, besuchen (Präsenzphase) und zur anderen Zeit Aufgaben selbständig zu Hause oder mittels einer Internet-Lernplattform bearbeiten (Selbstlernphase). Neben der Erfüllung der normalen Aufnahmevorausetzungen des Abendgymnasiums müssen die Teilnehmer hier zusätzlich auch über die entsprechenden technischen (PC, Internetanschluss, PC-Kenntnisse) und persönlichen (ausgeprägte Kompetenzen zur Lern- und Arbeitsorganisation sowie zum Zeitmanagement) Voraussetzungen verfügen.
Das Kolleg - Institut zur Erlangung der Hochschulreife ist das Tagespendant zum Abendgymnasium, eine gleichzeitige Berufstätigkeit soll hier nicht stattfinden. Ansonsten sind die Aufnahmebedingungen und Dauer des Bildungsgangs identisch. Ein Unterschied gemäß Vereinbarung der Kultusministerkonferenz ist, dass anstelle des mindestens halbjährigen Vorkurses am Kolleg eine Eignungsprüfung treten kann, wenn der mittlere Schulabschluss nicht vorhanden ist.
Die Berufsoberschule (BOS) gehört zum beruflichen Bildungswesen und führt mit einem zweijährigen Vollzeitunterricht zur fachgebundenen oder allgemeinen Hochschulreife. In den typischen Aufzählungen der Einrichtungen des Zweiten Bildungsweges findet die BOS selten Erwähnung, aufgrund ihrer Aufnahmevoraussetzungen sollte sie dort aber hinzugezählt werden: so werden der mittlere Bildungsabschluss und eine mindestens zweijährige erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung oder eine mindestens fünfjährige einschlägige Berufstätigkeit verlangt.
Die Fachoberschule (FOS) führt regulär eigentlich zur Fachhochschulreife, eine in einigen Bundesländern eingerichtete 13. Klassenstufe ermöglicht aber (in der Regel für leistungsstarke Absolventen der FOS 12) auch den Erwerb der fachgebundenen oder allgemeinen Hochschulreife. Im Gegensatz zur Berufsoberschule wird bei der FOS keine berufliche Vorbildung sondern lediglich der mittlere Schulabschluss als Aufnahmebedingung verlangt.
In allen deutschen Bundesländern können Personen ohne vorherigen Besuch einer staatlichen oder staatlich anerkannten Schule, die zum Abitur führt, an einer Nichtschülerabiturprüfung teilnehmen, sofern sie natürlich die entsprechenden Zulassungsvoraussetzungen erfüllen. Die Vorbereitung erfolgt dabei im Regelfall entweder über eine Fernschule, ein privates Institut, eine Volkshochschule oder vollständig im Selbststudium (Autodidakt). Aufgrund der niedrigen Zulassungshürden – es wird bei der gymnasialen Externenabiturprüfung keine berufliche Vorbildung und kein bestimmter Schulabschluss gefordert - ist dieser Weg für viele im Zweiten Bildungsweg besonders interessant.
Bei der "Begabtenabiturprüfung" handelt es sich im Grunde um eine Art spezielle Nichtschülerprüfung. Auch hier wird keine reguläre Schule besucht und die Vorbereitung erfolgt in Eigenregie oder mit Hilfe externer Anbieter wie Volkshochschulen oder privaten Instituten.
Die Prüfung für den Hochschulzugang besonders befähigter Berufstätiger führt zur Allgemeinen Hochschulreife und wird heute nur noch in wenigen deutschen Bundesländern angeboten. Sie besteht aus weniger Teilprüfungen als die Nichtschülerabiturprüfung und erfordert auch keine Kenntnisse in einer zweiten Fremdsprache, eine Besonderheit, die sonst kein Weg zum Zeugnis der Allgemeinen Hochschulreife aufweist. Zulassungsvoraussetzung sind ein Mindestalter von 25 Jahren, eine abgeschlossene berufliche Ausbildung und mindestens fünf Jahre Berufstätigkeit.
Das Abiturkurs-Angebot an Volkshochschulen ist sehr uneinheitlich ausgeprägt (auch regional). Einige VHS bieten gar keine Kurse zur Erlangung der Hochschulreife an, andere nur Vorbereitungen in einzelnen Fächern oder Themenkomplexen, wiederum andere ganze mehrjährige Vorbereitungskurse auf die staatliche Nichtschüler- oder Begabtenabiturprüfung.
Neben den genannten Einrichtungen und Wegen zum Abitur im Zweiten Bildungsweg kommen für einige aufgrund bestimmter Regelungen oder "Nichtregelungen" in den Landesgesetzen und -verordnungen auch "klassische Bildungsstätten" aus dem Ersten Bildungsweg in Frage (zum Beispiel wenn kein Höchstalter definiert ist): die gymnasiale Oberstufe am allgemein bildenden Gymnasium und Gesamtschule sowie Beruflichen Gymnasium.
Die an den genannten Einrichtungen intern beziehungsweise extern über Nichtschülerprüfungen (einschließlich dem "Begabtenabitur") im Zweiten Bildungsweg erlangten Abiturzeugnisse sind denen an Schulen des Ersten Bildungswegs absolut gleichwertig und werden deutschlandweit anerkannt.
Für Schulen in öffentlicher Trägerschaft ist im Gegensatz zu solchen in privater Hand kein Schulgeld zu zahlen. Das gilt entsprechend auch für den Zweiten Bildungsweg. Kosten entstehen aber in vielen Fällen für beispielsweise An- und Abfahrt zur Schule, Lernmittel, Verpflegung, Kopien, Verbrauchsmaterialien, persönliche Ausstattung, Nachhilfe usw.
Die wichtigste Förderung beim Abitur nachholen ist und bleibt das BAföG, problematisch vor allem im Zweiten Bildungsweg ist jedoch die Altersgrenze von 30 Jahren bei Beginn der förderungsfähigen Ausbildung. Wer älter ist, erhält Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz nur in Ausnahmefällen.
Darüber hinaus stehen jedoch weitere Förderungsinstrumente der Länder, des Arbeitgebers, im Rahmen der steuerlichen Absetzbarkeit, durch Stipendien / Begabtenförderung, etc. zur Verfügung.